Mit Stress umgehen

‚Stress‘ ist ein immer wieder aufblitzendes Thema unserer Zeit. Durch beispielsweise Arbeitsgewohnheiten, äußere politische Umstände, den hohen Konsum von Medien und Informationen, durch ein verändertes Essverhalten bis hin zu permanenten visuellen Reizen durch Bildschirme und Helligkeit (v.a. in Großstädten) bis spät in die Nacht entsteht unser Stress.

Ich habe vor vielen Jahren einmal gelernt, es gebe ’negativen‘ Stress – also denjenigen, den wir gemeinhin meinen, wenn wir davon sprechen – und ‚positiven‘ Stress, den sogenannten Eustress. Um ehrlich zu sein: Mir persönlich hat diese Unterscheidung bisher nie sonderlich genutzt, insbesondere nicht in der Bewältigung von Stress. Sicher ist es schön, Fakten und Definitionen zu kennen, aber letztlich ist das nur (theoretisches) Wissen. Meiner Erfahrung nach braucht es die konkrete Auseinandersetzung mit sich selbst.

Was stresst mich? Was stresst mich ganz konkret? Wie reagiere ich dann? Welche Auswirkungen haben Stresssituationen auf mich? Werde ich unruhig, langsam, fange ich an, sehr viel zu reden, oder drücke ich mich vor Aufgaben, die ich erledigen will/müsste/könnte/sollte?

Und genauso gehören dazu Fragen, wie: Wie entspanne ich? Wie konkret fühle ich mich, wenn ich entspannt bin?

Gestresst sein meint, man steht in irgendeiner Form unter großer Anspannung, und das meist über einen längeren Zeitraum.

Das bedeutet, ich kann damit beginnen, gezielt Entspannung in meinen Alltag einzubringen, auch wenn es vorerst kleine Impulse sind. Aller Anfang ist schließlich klein – was für Impulse könnten das sein?

Hier lassen sich ganz allgemeine Antworten geben, wie: innehalten, immer wieder zwischendurch, und auf den Atem konzentrieren. Es gibt unterschiedliche Formen von Atemübungen, die sich leicht in den Alltag eingliedern lassen.

Letzten Endes würde ich allerdings dazu raten, gründlich in die Selbstbeobachtung zu gehen und zu schauen, was ich individuell benötige: Ist es ein Spaziergang in der Natur, ein kreatives Hobby, ein kurzes Sonnenbad, eine Massage, das (Schaum-)Bad mit Musik oder einfach Zeit haben für sich allein? Durch eine gute Balance zwischen Stress und Entspannung lässt sich dem Stress bereits ein erstes Schnippchen schlagen.

Und wenn man hier noch viel mehr in die Tiefe gehen möchte – dann begibt man sich auf ganz natürliche Weise in den Bereich der Lebenskunst.

Die Füße, die uns tragen

Im Shiatsu arbeite ich gerne mit den Füßen. Den ganzen Tag stehen und gehen wir auf ihnen, verpacken sie in Schuhe, schnüren sie ab und übersehen sie meistens, wenn es darum geht, den Körper zu dehnen oder zu entspannen. Das erste Mal, als mir das richtig bewusst geworden ist, habe ich gerade Yoga gemacht, barfuß auf der Matte, und kam in eine Asana, in der ich guten Blick auf meine Füße hatte. Aber auch in anderen Situationen, wie zum Beispiel beim BJJ, habe ich gemerkt, wie man die Perspektive auf die eigenen Füße (und die der anderen 😉 ) ändern kann. Und wenn es nur heißt, den Körper mal vom Fuß aus zu betrachten oder zu merken, wo und wie man läuft, was es heißt, hier zu laufen, jetzt, oder einmal die Füße hochzulegen.

Eine klassische Shiatsumassage findet am bekleideten Körper statt, das heißt, auch die Füße sind angenehm in Socken eingehüllt. In unseren Füßen enden und beginnen mehrere der zwölf Hauptmeridiane, der Jing Mai: Niere und Blase, Leber und Gallenblase, Magen und Milz; und ebenso Reflexzonen finden sich hier. Deshalb ist es, je nach Behandlung, ganz wunderbar, den Füßen ein gewisses Extra an Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Gerade die sanften Anwendungen im Shiatsu wirken so stärkend, vitalisierend und wohltuend, von den Füßen aufwärts. Probiert es gerne einmal aus!

Schenken und Beschenktwerden

Gestern war Palmsonntag und Ostern naht in wenigen Tagen. Für mich war früher Ostern immer das schönste der christlichen Feste. Wenn das helle, frische Grün die Bäume säumt, wenn Blütenduft die Luft tränkt, Winde wehen, der Regen warm fällt und das Wetter so unberechenbar ist. Die bemalten Eier leuchten bunt, Schokolade wird versteckt und gesucht und, zumindest in meiner Familie wurde und wird dies so gemacht, kleine Geschenke werden verteilt.

Auch wenn Weihnachten in unserer Gesellschaft viel präsenter als Feiertag ist, so ist Ostern eigentlich das höchste Fest im Christentum. Nach christlicher Lehre kommt es zur Wiederauferstehung Jesu Christi, und damit wird der Glauben an ein Leben nach dem Tod begründet. Und warum Ostern eigentlich ‚Ostern‘ heißt, ist noch einmal eine ganz andere Geschichte.

Auch, wenn sich meine religiöse Gesinnung mittlerweile geändert hat, genieße ich die Osterfeiertage immer noch, und sehe aber, wie seit Wochen wieder die Regale in den Supermärkten vor Oster-Krimskrams überlaufen. Plastik hier, Verpackung da, Zucker überall. Feiertage sind mittlerweile mehr denn je Tage des ‚Überkonsums‘ geworden.

Zur Achtsamkeit im Alltag gehört auch dazu, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Wie wirke ich in der Welt, welche Fußabdrücke hinterlasse ich, was fördere ich, was nehme ich (in mir) auf, was gebe ich an andere weiter? Die Fragen können auf Materielles bezogen werden – und ebenso auf Immaterielles.

Deshalb halte ich es zum Beispiel seit mehreren Jahren so, dass ich gerne Geschenke mache, die umweltfreundlich sind und Freude bereiten. Das können sein:

Selbstgebackenes und -hergestelltes

Erlebnisse, z. B. einen Aufenthalt, einen Kinobesuch, ein Picknick, …

Anwendungen, zum Beispiel eine Akupunktur oder eine Shiatsumassage 😉

qualitativ hochwertige neue Produkte (die entsprechend lange halten)

Produkte kleiner und alternativer Produzenten, die vielfach auf eine ethische Lieferkette Rücksicht nehmen

gute Bücher

und vor allem: einfach da sein, den Moment mit den Lieben, Verwandten und Freunden wahrnehmen und leben

In diesem Sinne schon einmal: Frohe Ostern!

Die innere Ruhe

Manchmal ist es bei weitem nicht einfach, die innere Ruhe zu bewahren. Es sagt sich immer so leicht, und wenn alles „gut“ läuft, dann setzt sich das auch einfach um. Interessant wird es ja erst, wenn nicht alles „rund“ läuft – was genau das wiederum auch heißen mag. Da fängt das Gedankenspiel ja bereits an. Wer sagt denn, wie es zu laufen hat?

Ich hatte gestern und heute ein Formatierungsproblem. Ein Text, den ich bearbeiten wollte, ließ sich nicht bearbeiten; wir haben es wirklich versucht, aber es ließ nicht einrichten. Schließlich habe ich die Arbeit an dem Text eingestellt, was völlig ok ist. Das Ergebnis ist eigentlich mehr oder weniger unwichtig, der Weg dahin ist das Entscheidende. Sich dabei zu beobachten, wie man reagiert – ist man frustriert, genervt, wütend – von den Kollegen, von der Arbeit, von der Familie – von sich? Oder lächelt man und atmet ruhig? In dem Wissen, dass es sowieso vergänglich ist und demnächst das Ganze schon wieder ganz anders aussieht?

So heißt es im I Ging:

51. Dschen / Das Erregende
(Das Erschüttern, der Donner)

Das Erschüttern bringt Gelingen.
Das Erschüttern kommt: Hu, Hu!
Lachende Worte: Ha, Ha!
Das Erschüttern erschreckt hundert Meilen,
und er läßt nicht den Opferlöffel und Kelch fallen.

I Ging. Das Buch der Wandlungen, S.189
Blitz und Donner

Hier geht es darum, trotz erschütternder äußerer Umstände den inneren Gleichmut zu bewahren, das innere Lächeln aufrecht zu erhalten. Die innere Kultivierung ist hierzu der Schlüssel. Hohe Künste wie Kung Fu, Taiji Quan, Qi Gong oder Meditation schulen ebendies und sind Wege der inneren Kultivierung.

Davon gehe ich auch in der Shiatsu-Anwendung aus: Es ist die innere Haltung, die zentral ist. Beim Shiatsu ist für mich nicht wichtig, wie ein Mensch ist, ob groß, klein, schwer, leicht. Ob Winter oder Frühling ist, ob Musik läuft oder nicht. Ob Kind, ob Erwachsener. Das macht das So-Sein-Dürfen aus, so sein zu dürfen, wie man ist, wenn man zum Shiatsu geht.

Und so hat das Aprilwetter heute auch entschieden: Nach all den warmen Sonnentagen, fängt es gerade wieder an zu schneien.

Die kleinen Dinge

Mit Beginn des Frühlings
tagsüber strahlt die Sonne, wolkenfrei, nachts hat es niedrige Temperaturen bei klarem Sternenhimmel…

Um einen herum fängt es an zu pulsieren, die Knospen sprießen auf, es duftet, Blüten
weiße, gelbe, rosafarbene, rote, blaue,
sie verströmen diesen süßen wachen Duft von alles erstrahlt, alles ist frisch
Schmetterlinge flattern umher, flattern, und werden manchmal von starken Winden an Orte getragen, und flattern dann wieder zurück

Die Vögel zwitschern und die Menschen lächeln, so viel öfter als sonst
Hier und da bleibt einer stehen, in der Sonnenwärme
Abends sind sie wieder länger unterwegs
Und Gespräche entstehen, einfach so
Wie die Kinder

Der Frühling, das aufsteigende Yang
Neues ausprobieren, Neues wagen
Frühlingsputz, frisch, dynamisch

Gestern habe ich Saatgut für verschiedene Kräuter gepflanzt,
in der Wohnung, nachts ist es dafür draußen noch zu kalt
Und ich habe tatsächlich das erste Mal Kircherebsenmehl als Shampoo-Ersatz ausprobiert! Und war erstaunt, wie gut es wirkt (bisher kann ich es jedem empfehlen, besonders Leuten mit sensibler Kopfhaut). Nach einem alten indischen Rezept.


Es sind die kleinen Dinge, in denen sich Veränderung und Wechsel zeigen, Schritt für Schritt, egal, wie klein die Schritte sind.
Und es sind die kleinen Dinge, die mit Achtsamkeit betrachtet, die großen Dinge ausmachen und bewegen.

Frühlingsnacht

Eine Schale, ein Gewand

Eine Schale, ein Gewand ist der Titel eines Gedichtbands des Zen-Meisters Ryōkan. Es ist eines meiner Lieblingsbücher und ich möchte diese Woche einige der Zeilen Ryōkans für sich sprechen lassen.

Aus den Chinesischen Gedichten:

Ein schmaler Pfad, von dichtem Wald umgeben;
Rundum liegen die Berge im Dunkel.
Die Herbstblätter sind schon gefallen.
Kein Regen, aber noch sind die Felsen dunkel vom Moos.
Ich kehre zu meiner Klause zurück,
auf einem Weg, den kaum einer kennt,
Mit einem Korb frischer Pilze
Und einem Krug reinen Wassers
aus dem Tempelbrunnen.

Der Regen hat aufgehört, die Wolken sind weggezogen,
und der Himmel ist wieder klar.
Wenn dein Herz rein ist
dann sind alle Dinge deiner Welt rein.
Gib diese vergängliche Welt auf, gib dich selbst auf.
Dann werden der Mond und die Blumen
dir den Weg weisen.

Ich sitze still, höre die fallenden Blätter –
Eine einsame Hütte, ein Leben der Entsagung.
Die Vergangenheit ist verblasst,
Erinnerungen verschwunden,
Mein Ärmel ist nass von Tränen.

Steinstufen, ein grün glänzendes Moospolster;
Der Wind trägt den Duft von Zedern und Kiefern.
Der Regen hat aufgehört und es wird klar.
Ich rufe den Kindern zu
auf meinem Weg ins Dorf, um Sake zu holen.
Nun habe ich zu viel getrunken
und schreibe glücklich diese Zeilen.

Für die Bücherliebhaber: Die Ausgabe, aus der die Gedichte stammen ist die Folgende: Meister Ryōkan, Eine Schale, ein Gewand. Zen-Gedichte, hrsg. und übers. von John Stevens, dt. Übers. von Munish B. Schiekel, Heidelberg; Leimen: Werner Kristkeitz Verlag 1999 (oben ausgewählte Gedichte auf den Seiten 25-26).

Von den Ursprüngen des Shiatsu

„Shiatsu“ ist eine moderne japanische Bezeichnung für eine Anwendungsform, die weit in die Geschichte zurückreicht. Von der Akupunktur weiß man, dass sie bereits vor 4000 bis 6000 Jahren mittels Steinnadeln praktiziert worden ist. Man nimmt an, dass Massage noch früher angewendet wurde, da sie dem Menschen zur Heilung intuitiv zugänglich ist.

China, das Reich der Mitte

Shiatsu geht auf alte chinesische Techniken zurück, Daoyin und Tuina Anmo.

Daoyin (oder japanisch: Do-In) ähnelt Yoga, Tuina Anmo (japanisch: Anma) lässt sich mit westlicher Massage vergleichen.

Das chinesische medizinische Wissen, der Daoismus und auch der Buddhismus sind etwa im 10. Jh. n.Chr. nach Japan gekommen.

Sakura, die Kirschblüte, markiert den Beginn des Frühlings im japanischen Kalender.

Traditionell war Anma in Japan ein Blindenberuf, da es einen besonders ausgeprägten Tastsinn erfordere. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Das heutige Shiatsu ist eine relativ junge Kunst, aus dem 20. Jahrhundert stammend, die sich auf ihre therapeutischen Ursprünge zurückbesinnt – in Abgrenzung zu Anma, das vielfach nur zur Erholung und Entspannung, sozusagen als „Wellness“ angewendet wird. 

Um die Wirkweisen von Shiatsu in der Tiefe zu verstehen und die Massage entsprechend richtig zu praktizieren, nicht als bloße Mechanik, braucht es die Auseinandersetzung mit dem Daoismus.

Es sind gerade das Zusammenspiel der Kulturen und das alte Wissen um die Wirkweise von Berührung sowie Lebensart – insbesondere im Kontrast zu unserer heutigen schnelllebigen und zunehmend digitalisierten Gesellschaft –, die mich immerzu faszinieren.

Achtsamkeit

Heute hat das erste Mal seit längerem wieder die Sonne morgens geschienen. Ich bin daraufhin losgelaufen, einen Morgenspaziergang zu machen. Die Luft war kühl, der Himmel blau, nur hin und wieder weiße Schleierwolken. Durch die Zweige der hohen Bäume, noch kahl vom Winter, fiel das Sonnenlicht, sanft, aber warm. Im Hier und Jetzt sein, einatmend, ausatmend, den Wald wahrnehmend, die anderen Spaziergänger meistens in Begleitung ihrer Hunde wahrnehmend. Für mich sind solche Spaziergänge Teil meiner Achtsamkeitspraxis.

Aber was meint „Achtsamkeit“ eigentlich?

Achtsamkeit ist ein Begriff, der mittlerweile leider etwas inflationär verwendet wird, und dessen eigentliche Tiefe dadurch tendenziell verloren geht. Achtsamkeit bezeichnet das achtsame, aufmerksame Umgehen mit sich selbst und der Umwelt. Sie ist Teil meditativer Praxis und kann geschult werden. Schöne und wirksame Beispiele für Achtsamkeitsübungen finden sich in den Büchern von Thich Nhat Hanh. Achtsamkeit meint nicht harmoniebedürftig oder konfliktfrei bzw. -scheu zu sein, im Gegenteil bezeichnet sie einen bestimmten Zustand des Gewahrseins und Bewusstseins. Es geht um das Leben im Hier und Jetzt, um das Wahrnehmen dessen, dass da ist, im aktuellen Moment. Oftmals driften Menschen in ihre Gedanken ab, oder folgen einem festgelegten Plan, haben bestimmte Ansichten und Urteile zu Mitmenschen, Situationen und Taten, und lassen sich gerade nicht auf das ein, was sie tatsächlich tun. Wenn ich meinen Abwasch mache, dabei aber über das Gespräch mit den Kollegen am Vormittag nachdenke, bin ich nicht achtsam. Ich bin nicht einmal tatsächlich da, beim Abwaschen, ich bewege mich vielmehr in der Vergangenheit, dem Konstrukt meines Geistes.

Achtsames Tun lässt sich immer einbinden in den Alltag, ganz egal, was wir gerade tun. Innehalten, gewahr werden, wahrnehmen – ganz da sein.

Übrigens: Meiner Erfahrung nach mögen Hunde (und generell Tiere) die Achtsamkeitspraxis auch sehr gerne 😉