Eine Schale, ein Gewand

Eine Schale, ein Gewand ist der Titel eines Gedichtbands des Zen-Meisters Ryōkan. Es ist eines meiner Lieblingsbücher und ich möchte diese Woche einige der Zeilen Ryōkans für sich sprechen lassen.

Aus den Chinesischen Gedichten:

Ein schmaler Pfad, von dichtem Wald umgeben;
Rundum liegen die Berge im Dunkel.
Die Herbstblätter sind schon gefallen.
Kein Regen, aber noch sind die Felsen dunkel vom Moos.
Ich kehre zu meiner Klause zurück,
auf einem Weg, den kaum einer kennt,
Mit einem Korb frischer Pilze
Und einem Krug reinen Wassers
aus dem Tempelbrunnen.

Der Regen hat aufgehört, die Wolken sind weggezogen,
und der Himmel ist wieder klar.
Wenn dein Herz rein ist
dann sind alle Dinge deiner Welt rein.
Gib diese vergängliche Welt auf, gib dich selbst auf.
Dann werden der Mond und die Blumen
dir den Weg weisen.

Ich sitze still, höre die fallenden Blätter –
Eine einsame Hütte, ein Leben der Entsagung.
Die Vergangenheit ist verblasst,
Erinnerungen verschwunden,
Mein Ärmel ist nass von Tränen.

Steinstufen, ein grün glänzendes Moospolster;
Der Wind trägt den Duft von Zedern und Kiefern.
Der Regen hat aufgehört und es wird klar.
Ich rufe den Kindern zu
auf meinem Weg ins Dorf, um Sake zu holen.
Nun habe ich zu viel getrunken
und schreibe glücklich diese Zeilen.

Für die Bücherliebhaber: Die Ausgabe, aus der die Gedichte stammen ist die Folgende: Meister Ryōkan, Eine Schale, ein Gewand. Zen-Gedichte, hrsg. und übers. von John Stevens, dt. Übers. von Munish B. Schiekel, Heidelberg; Leimen: Werner Kristkeitz Verlag 1999 (oben ausgewählte Gedichte auf den Seiten 25-26).

Von den Ursprüngen des Shiatsu

„Shiatsu“ ist eine moderne japanische Bezeichnung für eine Anwendungsform, die weit in die Geschichte zurückreicht. Von der Akupunktur weiß man, dass sie bereits vor 4000 bis 6000 Jahren mittels Steinnadeln praktiziert worden ist. Man nimmt an, dass Massage noch früher angewendet wurde, da sie dem Menschen zur Heilung intuitiv zugänglich ist.

China, das Reich der Mitte

Shiatsu geht auf alte chinesische Techniken zurück, Daoyin und Tuina Anmo.

Daoyin (oder japanisch: Do-In) ähnelt Yoga, Tuina Anmo (japanisch: Anma) lässt sich mit westlicher Massage vergleichen.

Das chinesische medizinische Wissen, der Daoismus und auch der Buddhismus sind etwa im 10. Jh. n.Chr. nach Japan gekommen.

Sakura, die Kirschblüte, markiert den Beginn des Frühlings im japanischen Kalender.

Traditionell war Anma in Japan ein Blindenberuf, da es einen besonders ausgeprägten Tastsinn erfordere. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Das heutige Shiatsu ist eine relativ junge Kunst, aus dem 20. Jahrhundert stammend, die sich auf ihre therapeutischen Ursprünge zurückbesinnt – in Abgrenzung zu Anma, das vielfach nur zur Erholung und Entspannung, sozusagen als „Wellness“ angewendet wird. 

Um die Wirkweisen von Shiatsu in der Tiefe zu verstehen und die Massage entsprechend richtig zu praktizieren, nicht als bloße Mechanik, braucht es die Auseinandersetzung mit dem Daoismus.

Es sind gerade das Zusammenspiel der Kulturen und das alte Wissen um die Wirkweise von Berührung sowie Lebensart – insbesondere im Kontrast zu unserer heutigen schnelllebigen und zunehmend digitalisierten Gesellschaft –, die mich immerzu faszinieren.