Vom Wandel

Mittlerweile ist es Sommer, die Temperaturen steigen, die Tage sind lang und die Nächte kurz. Der Sonnenschein lädt zu endlosen Spaziergängen durch blühende Wiesen, entlang gelber Felder ein und der blaue Himmel erstreckt sich grenzenlos. Die Menschen kommen schneller miteinander ins Gespräch, man geht auf Reisen und die Kinder springen lachend ins Schwimmbecken. Der Asphalt flimmert.

Mit den Jahreszeiten zu gehen – das hört sich so einfach an, wird aber tatsächlich oft nicht gemacht. Im Daoismus und der TCM wird von den fünf Wandlungsphasen gesprochen: Wasser, Holz, Feuer, Erde und Metall. Mich hat der Begriff der Wandlungsphasen immer etwas bezaubert, weil er die ‚Magie‘ des Lebens abbildet. Ein ganzheitlicher, natürlicher Prozess, der sich vollzieht, und der mit Veränderung zu tun hat, aber nicht nur. Veränderung assoziieren wir meistens mit loslassen (und nichtloslassenkönnen), Wechsel (und Stagnation), mit etwas Neuem (und etwas Altem, das zurückgelassen wird). Die Wandlung hingegen umfasst den ganzen Prozess: das Entstehen, das Erblühen, das Früchtetragen, das Ernten, das Altern, das Vergehen und birgt hierin wieder das Entstehen. Es bezeichnet etwas Grundlegendes. So, wie sich die Wandlungsphasen im Makrokosmos – also alles um uns herum vom Gestein zum Gestirn – zeigen, lassen sie sich im Mirkokosmos nachvollziehen – also in ‚uns‘, von Nasenspitze über Organe bis hin zur Zelle.

Das Konzept der Wandlungsphasen können wir Tag für Tag an uns selbst anwenden – und das in den verschiedensten Bereichen, von der Ernährung, dem Sport, der Gesundheit, der Lebensphasen über Vorlieben/Abneigungen und Wohnraum bis hin zum empathischen Verständnis und noch vieles, vieles mehr.

Es sind die energetischen Prozesse, die in und um uns herum permanent wirken.

Die kleinen Dinge

Mit Beginn des Frühlings
tagsüber strahlt die Sonne, wolkenfrei, nachts hat es niedrige Temperaturen bei klarem Sternenhimmel…

Um einen herum fängt es an zu pulsieren, die Knospen sprießen auf, es duftet, Blüten
weiße, gelbe, rosafarbene, rote, blaue,
sie verströmen diesen süßen wachen Duft von alles erstrahlt, alles ist frisch
Schmetterlinge flattern umher, flattern, und werden manchmal von starken Winden an Orte getragen, und flattern dann wieder zurück

Die Vögel zwitschern und die Menschen lächeln, so viel öfter als sonst
Hier und da bleibt einer stehen, in der Sonnenwärme
Abends sind sie wieder länger unterwegs
Und Gespräche entstehen, einfach so
Wie die Kinder

Der Frühling, das aufsteigende Yang
Neues ausprobieren, Neues wagen
Frühlingsputz, frisch, dynamisch

Gestern habe ich Saatgut für verschiedene Kräuter gepflanzt,
in der Wohnung, nachts ist es dafür draußen noch zu kalt
Und ich habe tatsächlich das erste Mal Kircherebsenmehl als Shampoo-Ersatz ausprobiert! Und war erstaunt, wie gut es wirkt (bisher kann ich es jedem empfehlen, besonders Leuten mit sensibler Kopfhaut). Nach einem alten indischen Rezept.


Es sind die kleinen Dinge, in denen sich Veränderung und Wechsel zeigen, Schritt für Schritt, egal, wie klein die Schritte sind.
Und es sind die kleinen Dinge, die mit Achtsamkeit betrachtet, die großen Dinge ausmachen und bewegen.

Frühlingsnacht

Eine Schale, ein Gewand

Eine Schale, ein Gewand ist der Titel eines Gedichtbands des Zen-Meisters Ryōkan. Es ist eines meiner Lieblingsbücher und ich möchte diese Woche einige der Zeilen Ryōkans für sich sprechen lassen.

Aus den Chinesischen Gedichten:

Ein schmaler Pfad, von dichtem Wald umgeben;
Rundum liegen die Berge im Dunkel.
Die Herbstblätter sind schon gefallen.
Kein Regen, aber noch sind die Felsen dunkel vom Moos.
Ich kehre zu meiner Klause zurück,
auf einem Weg, den kaum einer kennt,
Mit einem Korb frischer Pilze
Und einem Krug reinen Wassers
aus dem Tempelbrunnen.

Der Regen hat aufgehört, die Wolken sind weggezogen,
und der Himmel ist wieder klar.
Wenn dein Herz rein ist
dann sind alle Dinge deiner Welt rein.
Gib diese vergängliche Welt auf, gib dich selbst auf.
Dann werden der Mond und die Blumen
dir den Weg weisen.

Ich sitze still, höre die fallenden Blätter –
Eine einsame Hütte, ein Leben der Entsagung.
Die Vergangenheit ist verblasst,
Erinnerungen verschwunden,
Mein Ärmel ist nass von Tränen.

Steinstufen, ein grün glänzendes Moospolster;
Der Wind trägt den Duft von Zedern und Kiefern.
Der Regen hat aufgehört und es wird klar.
Ich rufe den Kindern zu
auf meinem Weg ins Dorf, um Sake zu holen.
Nun habe ich zu viel getrunken
und schreibe glücklich diese Zeilen.

Für die Bücherliebhaber: Die Ausgabe, aus der die Gedichte stammen ist die Folgende: Meister Ryōkan, Eine Schale, ein Gewand. Zen-Gedichte, hrsg. und übers. von John Stevens, dt. Übers. von Munish B. Schiekel, Heidelberg; Leimen: Werner Kristkeitz Verlag 1999 (oben ausgewählte Gedichte auf den Seiten 25-26).

Achtsamkeit

Heute hat das erste Mal seit längerem wieder die Sonne morgens geschienen. Ich bin daraufhin losgelaufen, einen Morgenspaziergang zu machen. Die Luft war kühl, der Himmel blau, nur hin und wieder weiße Schleierwolken. Durch die Zweige der hohen Bäume, noch kahl vom Winter, fiel das Sonnenlicht, sanft, aber warm. Im Hier und Jetzt sein, einatmend, ausatmend, den Wald wahrnehmend, die anderen Spaziergänger meistens in Begleitung ihrer Hunde wahrnehmend. Für mich sind solche Spaziergänge Teil meiner Achtsamkeitspraxis.

Aber was meint „Achtsamkeit“ eigentlich?

Achtsamkeit ist ein Begriff, der mittlerweile leider etwas inflationär verwendet wird, und dessen eigentliche Tiefe dadurch tendenziell verloren geht. Achtsamkeit bezeichnet das achtsame, aufmerksame Umgehen mit sich selbst und der Umwelt. Sie ist Teil meditativer Praxis und kann geschult werden. Schöne und wirksame Beispiele für Achtsamkeitsübungen finden sich in den Büchern von Thich Nhat Hanh. Achtsamkeit meint nicht harmoniebedürftig oder konfliktfrei bzw. -scheu zu sein, im Gegenteil bezeichnet sie einen bestimmten Zustand des Gewahrseins und Bewusstseins. Es geht um das Leben im Hier und Jetzt, um das Wahrnehmen dessen, dass da ist, im aktuellen Moment. Oftmals driften Menschen in ihre Gedanken ab, oder folgen einem festgelegten Plan, haben bestimmte Ansichten und Urteile zu Mitmenschen, Situationen und Taten, und lassen sich gerade nicht auf das ein, was sie tatsächlich tun. Wenn ich meinen Abwasch mache, dabei aber über das Gespräch mit den Kollegen am Vormittag nachdenke, bin ich nicht achtsam. Ich bin nicht einmal tatsächlich da, beim Abwaschen, ich bewege mich vielmehr in der Vergangenheit, dem Konstrukt meines Geistes.

Achtsames Tun lässt sich immer einbinden in den Alltag, ganz egal, was wir gerade tun. Innehalten, gewahr werden, wahrnehmen – ganz da sein.

Übrigens: Meiner Erfahrung nach mögen Hunde (und generell Tiere) die Achtsamkeitspraxis auch sehr gerne 😉