Als Kind war ich einmal auf einen Geburtstag eingeladen. Wir sind reiten gegangen, und ich kam in die glückliche Lage, das erste Mal auf einem ausgewachsenen Pferd zu sitzen. Im Gegensatz zu den anderen kleinen Gästen hatte ich keine Erfahrungen im Voltigieren und auch generell nicht mit diesen edlen Tieren. Mein Ritt endete ziemlich schnell damit, dass ich vom Rücken des Pferdes glitt und an dem Hals des galoppierenden Tieres hing. Es sah bestimmt lustig aus! Dem Tier und mir ist übrigens nichts geschehen.
Als ich die folgende Geschichte vor ein paar Tagen las, erinnerte ich mich an dieses kurze Erlebnis.
There is a story in Zen circles about a man and a horse. The horse is galloping quickly, and it appears that the man on the horse is going somewhere important. Another man standing alongside the road, shouts, „Where are you going?“ and the first man replies, „I don’t know! Ask the horse!“ This is also our story. We are riding a horse, we don’t know where we are going, and we can’t stop. The horse is our habit energy pulling us along, and we are powerless.
Thich Nhat Hanh, 1973
Diese Geschichte von dem Mann auf dem Pferd, der machtlos mitgerissen wird, stammt aus dem Buch The Heart of the Buddha’s Teaching von Thich Nhat Hanh (S.24).

Wofür steht das Pferd? Thich Nhat Hanh legt es hier als „habit energy“, also die Macht (oder Energie) der Gewohnheiten aus. Dafür gibt es viele verschiedene Beispiele, jeder kennt welche aus dem Alltag. Es braucht meistens nur einen kleinen Blick auf die letzten drei vergangenen Stunden, um einige Gewohnheiten zu entdecken, die einen begleiten. Es sind allerdings nicht die Gewohnheiten, um die es geht, sondern um die Machtlosigkeit, und die Entfremdung, um das Ausgeliefertsein. Gefangen im Karussell der Gedanken, der alten oder neuen Muster, der Vorlieben und Abneigungen, im Korsett automatisierter Handlungen – ganz egal, wie sie nun geartet sind.
Zen-Meditation ist ein Weg der Kultivierung, auf dem wir lernen, das Pferd zu reiten. Wer einmal geritten ist, weiß, dass Reiten nicht meint, das Pferd zu kontrollieren. Reiten ist die Interaktion zwischen Mensch und Tier, eine sensible Kommunikation. So geht es auch im Zen nicht darum die Gedanken zu kontrollieren. Vielmehr lernen wir, unter anderem, uns nicht mehr mit den Gedanken und Gewohnheiten zu identifizieren, von ihnen Abstand nehmen zu können, „stop“ sagen zu können und zu stoppen – das Pferd zur Quelle zu führen und eine Pause einzulegen.
